11.11.25 – Sauer aufstoßen

Impuls

SAUER AUFSTOSSEN - Ein Impuls von Jan Kinggren

Bibelvers

Jeremia 31,29+30

„Zu derselben Zeit wird man nicht mehr sagen: »Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf«, sondern ein jeder wird um seiner eigenen Schuld willen sterben, und wer saure Trauben isst, dem werden die Zähne stumpf.“

Impuls

„Ihr seid nicht schuld und könnt nichts dafür, was eure Großeltern und Eltern getan haben.“ sagt George Shefi, der als Kind – anders als seine Mutter – den Holocaust überlebte und Schülerinnen und Schülern heute davon als Zeitzeuge berichtet.
„Ihr seid nicht schuld. Aber…“ – fährt er fort – „Aber ihr tragt eine Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert.“

Oder in der bildreichen Sprache des Propheten Jeremia: „Zu derselben Zeit wird man nicht mehr sagen: »Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf«, sondern ein jeder wird um seiner eigenen Schuld willen sterben, und wer saure Trauben isst, dem werden die Zähne stumpf.“

Frei von Schuld und doch gebunden an eine Verantwortung – ein Zustand, der uns mit Blick auf unsere Geschichte auch in der Friedensarbeit immer wieder begegnet. Zwar ist Schuld nicht vererbbar oder übertragbar und doch stellt sie uns vor die Aufgabe, hinzuschauen. Hinzuschauen und auszusprechen. Also die Worte zu finden, die die Generationen vor uns nicht zu finden vermochten; es noch nicht konnten, weil es zu sehr schmerzte. Weil die Schuld zu schwer wog. Weil Schamesröte den Blick verschleierte.
Es ist unsere Aufgabe, etwas aus der Geschichte zu lernen und es anders zu machen, obwohl – soviel Ehrlichkeit gehört dazu – ich es damals wohl auch nicht anders gemacht hätte. Es ist unsere Aufgabe, zu erkennen, wo ich heute handeln muss. Wo ich Haltung beziehen muss – gerade, weil ich die Geschichte kenne. Gerade, weil sie auch meine Geschichte ist. Hinzuschauen und auszusprechen. Das erfordert Mut und Kraft. Und wir dürfen uns dabei sicher sein, dass Gott unsere Seele nicht zerbrechen lässt, dass er uns trägt und fest hält. Was auch passiert.

Amen

Ein Impuls von:
Pfarrer Dr. Jan Kingreen
Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO - Evangelisch im Osten)

Andacht

Die Andacht des heutigen Tages

Begrüßung

Eine Stimme

Schalom – Friede – Salam: In Gottes Namen sind wir zusammen.

Alle

Wir halten inne.

Eine Stimme

Wir schauen auf das, was uns sorgt.

Alle

Wir schauen auf das, was wir hoffen.

Eine Stimme

Wir schauen auf Gott.

Psalm 85,9-14

Eine Stimme

Wir beten mit Worten des 85. Psalms

Alle

         

Ich will hören, was Gott zu sagen hat.
         Der Herr redet vom Frieden.
         Er verspricht ihn seinem Volk und seinen Frommen.
Doch sie sollen nicht mehr zurückkehren
zu den Dummheiten der Vergangenheit!
         Ja, seine Hilfe ist denen nahe, die zu ihm gehören.
Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land:
Güte und Treue finden zueinander.
         Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.
         Treue wächst aus der Erde empor.
Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.
         Auch schenkt uns der Herr viel Gutes,
         und unser Land gibt seinen Ertrag dazu.
Gerechtigkeit zieht vor ihm her
und bestimmt die Richtung seiner Schritte.

Amen

Lied „Komm, Frieden, lass dich wecken"

Komm, Frieden, lass dich wecken,  
hilf uns heraus aus Krieg und Leid.  
Komm, Frieden, lass dich wecken,  
beende allen Streit.  

1.Denn uns ist angst und bange  
um diese eine Welt!  
Wir sehn, wie einstmals Schönes  
In Trümmern liegt, zerfällt.  
Komm, Frieden, lass dich wecken…  

2. Wir sehen Menschen weinen,  
vertrieben, auf der Flucht –  
und möchten Hoffnung säen,  
die blüht zu reicher Frucht.  
Komm, Frieden, lass dich wecken…  

3. Wir hörn und sehen Drohnen;  
Krieg: Klinisch und eiskalt.  
Dahinter stecken Menschen –  
Wer stoppt sie, zwingt zum Halt?  
Komm, Frieden, lass dich wecken…  

Text: Eugen Eckert zur Melodie EG 225, © beim Urheber  

Lesung

Jeremia 31, 27-30

27 Seht, es kommt eine Zeit,
da werde ich neu aussäen.
– Ausspruch des Herrn –
Mit dem Haus Israel und dem Haus Juda
werde ich einen Neuanfang machen:
Menschen und Tiere sollen wieder leben und gedeihen.
28 Schon immer habe ich mich um sie gekümmert.
Damals habe ich sie ausgerissen, eingerissen,
zerstört, vernichtet und Schaden angerichtet.
Jetzt aber werde ich sie aufbauen und pflanzen.
– So lautet der Ausspruch des Herrn.
29 Dann werden sie nicht mehr länger sagen:
»Die Väter haben saure Trauben gegessen.
Deshalb sind die Zähne der Söhne jetzt ruiniert.«
30 Nein!
Dann wird jeder seine eigene Schuld tragen müssen
und daran sterben.
Wer saure Trauben isst,
wird seine eigenen Zähne ruinieren.

Gedanken

Sauer aufstoßen

„Die Väter haben unreife Trauben gegessen, und die Söhne haben davon stumpfe Zähne bekommen.“ Kennen Sie das pelzige Gefühl im Mund nach dem Genuss von Stachelbeeren oder frischem Rhabarber? Fährt man mit der Zunge über die Zähne, hat man das dringende Bedürfnis nach einer Zahnbürste. Gut, wenn wir selbst für die Beseitigung des unangenehmen Belages sorgen, der sonst mit der Zeit den Zahnschmelz zerstören könnte.
Der Prophet Jeremia kannte vermutlich noch keine Zahnpflege, aber er wusste sehr gut, dass die Versäumnisse der Väter auf die Kinder zukommen werden. Es sind die Kinder, die sie einmal „ausputzen“ müssen. Ob Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit oder ungelöste kriegerische Konflikte – viele Probleme heute sind die Folge von kurzsichtigem aktuellem Profitstreben und Wohlstandswahrung oder falschen Entscheidungen früherer Generationen. Während die Verantwortlichen die Konsequenzen nicht mehr selbst tragen müssen, bleibt es den künftigen Generationen überlassen, für die Folgen aufzukommen und Lösungen zu finden.
Mit der Friedensdekade wollen wir in der jetzigen Zeit den Frieden wecken, damit es für unsere Kinder kein böses Erwachen gibt. Sie haben ein Recht auf Frieden, Perspektiven und eine sichere Zukunft. Wir dürfen ihnen nicht die Verantwortung für die ungelösten Krisen unserer Zeit überlassen. Christ*innen leben von der Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes. Daher wollen wir die Hoffnung auf eine Zukunft wachhalten, die den Generationen nach uns nicht sauer aufstößt und ihre Wünsche ans Leben nicht stumpf werden lässt.

(Florian Geith, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Jugend in der Pfalz in Kaiserslautern)

Lied „Komm, Frieden, lass dich wecken"

4. Wir kennen die Despoten,  
die herzlos rekrutiern.  
Hilf uns, sie zu enttrohnen,  
sie solln die Macht verliern.  
Komm, Frieden, lass dich wecken…  

5. Die Kraft, die uns beflügelt,  
ist unsres Gottes Wort.  
Es segnet Friedensstifter  
weltweit, an jedem Ort.  
Komm, Frieden, lass dich wecken…  

Text: Eugen Eckert zur Melodie EG 225, © beim Urheber

Gebet

Eine Stimme

Gott, wir bitten um Frieden in (...), in (...), in (…).
So viele Kriege gibt es in der Welt.
Sei bei den Verwundeten.
Nimm die Toten zu dir.
Wecke den Frieden.

Wir bitten für die Völker der Welt:
Stärke gemeinschaftliches Handeln zum Wohl der Menschen.
Wecke den Geist für Friedensverhandlungen statt Waffen.

Eine Erde hast du uns gegeben.
Wir sind nicht allein auf ihr,
Wir bitten für die Tiere und Pflanzen,
belebte Materie, Wasser, Luft und Wind.

Und für uns, kleiner Teil des großen Ganzen,
bitten wir um Zukunft und Umkehr.
Bewahre uns Gott, in Zeit und Ewigkeit.

Eine Stimme

Gemeinsam beten wir:

Alle

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

Lied "Bewahre uns, Gott"

Bewahre uns, Gott,
behüte uns, Gott,
sei mit uns vor allem Bösen.
Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen.  

 Text: Bewahre uns, Gott EG 171,
Melodie: Anders Ruuth, Text: Eugen Eckert, Strube Verlag, 1985 

Segen

Eine Stimme

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Alle

Amen.

Lied

„Nie wieder“

Lied „Nie wieder“

In Sandbostels weiter Stille drang kein Lichtstrahl durch die Nacht.
Heut‘ gedenken wir wie damals, Finsternis hielt eisig wach.

Trübe Augen, die verblassen. Hoffnung, die nur leise fleht.
Mauern, die die Freiheit hassen, Wind, der kalt noch heute durch die Ritzen weht.  

Nie wieder soll das Dunkel siegen. Nie wieder soll der Hass uns trüben.
Lasst uns mahnen, lasst uns klagen, was Menschen heute noch ertragen.

Menschen, dies sich hier vereinen, in Erinn‘rung an das Weinen.
Mahnen, dass in uns’rer Mitte Frieden bleibt, der Hoffnung trägt in jedem Schritt.

Nie wieder soll das Dunkel siegen. Nie wieder soll der Hass uns trüben.
Lasst uns mahnen, lasst uns klagen, was Menschen heute noch ertragen.

Erinnert euch an Leid und Beben, lasst uns für das Gute leben,
Frieden feiern und bewahren, Liebe in den Herzen tragen
Denkt zurück an Leid und Beben, lasst uns für das Gute leben.
Frieden feiern und bewahren, Hoffnung laut ins Leben tragen.

Nie wieder soll das Dunkel siegen. Nie wieder soll der Hass uns trüben.
Lasst uns mahnen, lasst uns klagen, was Menschen heute noch ertragen.

 
Text und Musik: Hauke Nebel
aus "Komm, wir sing’n für den Frieden, 8 Friedensorte – 8 Friedenslieder"www.friedensorte.de